Review

Finale (Rückspiel und Stichkampf)

Wolfgang Ruppert – Jürgen Neurohr ½ - ½ (1-0 im Stichkampf – 20 min Schnellschach)

Am 10.07. fand das Rückspiel um den Gesamtsieg der Flörsheimer Vereinsmeisterschaft bei
sengender Hitze und unter den wachsamen Augen der Flörsheimer Schachspieler statt. Im
Hinspiel geriet Jürgen nach schwacher Eröffnungsbehandlung früh unter Druck, konnte sich
aber „einigeln“ und Wolfgang ein Remis abringen.
Die Stimmung war schon zum Spielbeginn nicht nur wegen der Außentemperatur aufgeheizt,
sodass Turnierleiter M. Beck nur unter Einsatz seiner ganzen 75kg Körpergewicht (
ähm….) die beiden Raufbolde von Schlimmeren zurückhalten konnte.


(Wolfgang Balboa - Jürgen Creed ;-) )

Aber nachdem Turnierleiter Beck den beiden Protagonisten den zu gewinnenden Pokal vor
die Nase setzte und sich nach dem wohldosierten Einsatz von Riechsalz langsam die Wogen
glätteten, schauten die beiden schon wieder versöhnlicher drein:



Aber kommen wir zur Partie, welche, das sei vorab gesagt, sich zur nervenaufreibendsten
des Turniers entpuppte. Beide sind leidenschaftliche Franzosen, Jürgen meint „wenn schon
Französisch, dann aber auch gleich richtig!“… und packt den good old Winawer aus.
Wolfgang hat im Ramada Finale mit Schwarz ziemlich alt gegen das als positionell geltende
7.Sf3 ausgesehen und haut es dem Pfälzer Bub auch gleich um die Ohren:


Was prompt von Jürgen mit dem Winwaer „Queen Blues“ Da5 quittiert wird. Schwarz
entwickelt dabei zunächst mal alle Figuren (Sc6 nebst Ld7) und rochiert dann je nachdem
wie sich der Weiße entwickelt entweder kurz oder lang.
In diesem Spiel entscheidet sich Jürgen für die lange Rochade:



Die Stellung nach dem 13. Zug…. 0-0-0

Tja, interessante Stellung. Wie ist diese zu bewerten ? Weiß hat Raumvorteil im Zentrum und
am Königsflügel, er besitzt das Läuferpaar und verfügt über die halboffene b-Linie. Nachteilig
für den Weissen ist, dass sich die beiden Läufer aufgrund der geschlossenen Stellung nicht
entfalten können, zudem ist aus meiner Sicht die frühe kurze Rochade zumindest mal
diskussionswürdig (der Turm würde besser auf der h-Linie stehen um von dort eventuell
über die 3. oder 4. Linie ins Spiel zu kommen. Zudem verfügt Weiß über keinen aktiven und
sinnigen Bauernhebel und leidet daher naturgemäß an Ermangelung aktiver Pläne.
Schwarz im Gegenzug hat einen klaren Plan. Er möchte die Stellung am Königsflügel öffnen
und dann ein Druckspiel gegen den weißen König aufziehen. Aber dafür ist das richtige
Timing von Nöten. Heißt, den König noch sicherer stellen (Kb8 nebst Ka8) und mögliche
Opfer in die eigene Bauernkette im Auge behalten. Die schwarzen Springer scheinen mir
erstmal stärker zu sein als das gegnerische Läuferpaar. Zudem steht Schwarz aufgrund der
besseren Bauernstruktur vermutlich positionell besser falls sich alle Figuren abtauschen.

Ergo, Weiß muss was unternehmen!

Im 21. Zug (nach 20… Ka8) sieht sich Wolfgang mit folgender Stellung konfrontiert:


Wie man sehen kann ist es Schwarz gelungen die f-Linie zu öffnen und seine beiden Türme
ins Spiel zu bringen. Sein König auf a8 steht erstmal bombensicher. Die Dame auf a4 wirkt
zwar auf den ersten Blick ein wenig deplatziert, leistet aber zunächst mal Ihre Dienste indem
 Sie den Vormarsch des a-Bauern verhindert und damit Weiß zunächst mal kein
Gegenspiel erlaubt. Zudem bindet sie eine Figur zur Deckung des c2 Bauern. Weiß kämpft
jetzt im Gegenzug um das zentrale Feld e5 und würde liebend gerne
Druck gegen den rückständigen Bauer e6 aufbauen. Der weit vorgerückte Bauer auf h5
verhindert zunächst mit der Batterie auf der Diagonale c1-h6 das Vorrücken des g-Bauern,
aber er ist ohne Schutz und braucht permanentes Babysitting. Der Ld7 ist meines Erachtens
gar nicht so schlecht. Er deckt das Fundament der Bauernkette (e6) und kann ggs. über e6-
e5 aktiviert werden oder nach c6 ziehen mit der Option die Diagonale a8-h1 zu öffnen.
Vermutlich ist die Stellung im Gleichgewicht, aber ich denke aus praktischen Gesichtspunkten
ist eine solche Stellung leichter für Schwarz als für Weiß zu spielen.

Wolfgang zog 21.Ta2 und Jürgen hätte meines Erachtens nach jetzt vermutlich am besten
damit getan einfach „einfach“ zu spielen und schlicht den Bauern h5 mit Le8 nebst Tf5
anzugreifen.

Zum Beispiel mit 21...Le8 22.Kg2 Da5 23.Taa1 Tf5 24.Se5 Sxe5 25.dxe5 Txh5 26.f4 Thf5
27.Lg4 h5! 28.Lxf5 Sxf5…. Siehe u.a. Diagramm




… und Schwarz steht trotz des leichten Materialnachteils aufgrund der aktiveren Figuren klar
besser.

Aber Jürgen hat es aber nicht gesehen (kein Vorwurf!) und Wolfgang kann trotz Passivität die
Stellung im Gleichgewicht halten. Im 29. Zug nach Lf2 setzt Jürgen mit der Brechstange an
und hebelt die Königsstellung mit g5 auf. Wolfgang’s Zeitverbrauch wird in komplizierter
Stellung kritisch und es ist abzusehen, dass er mal wieder in Zeitnot kommt.


Stellung vor 29….. g5!

Im 37. Zug muss Wolfgang dann doch der aufgekommenen Zeitnot den ersten Tribut zollen.
In dieser Stellung (siehe u.a. Diagramm) entbindet er seinen Läufer h5 der Blockade des h-
Bauern, was sich in der Folge als äußerst schwierig zu verteidigen herausstellt:



….37. Lf3 ?!

Was prompt mit 37….h5!! beantwortet wird. Der Bauer ist tabu….


…. aber Wolfgang entgeht die perfide taktische Wendung in Zeitnot. Er schnappt ich den
Bauern und will es sich zeigen lassen…

38.Lxh5 Th8 39.De2 Le8 40.g4 Lxh5 41.gxh5 Tgh7 42.Tg1  Diagramm


Stellung nach 42. Tg1….

Oh je, das sieht nicht gut aus für den Flörsheimer Rekordmeister. Kann das sein ? Wolfgang
verliert vor heimischen Publikum auf den heiligen Flörsheimer Rasen ? Die ersten
Flörsheimer Fans sind den Tränen nahe !

Aber Wolfgang hat Glück im Unglück, mittlerweile ist auch Jürgen’s Zeit auf dem Weg zum
„Inkrement“.

Es folgt im Blitzmodus:

42….Txh5+ 43.Kg2 Sc6 44.Dg4 Sxb4 45.cxb4 Dxa4 46.Dxe6

Die Spannung steigt… man kann im Flörsheimer
Turniersaal nur noch das leise Säuseln der
tieffliegenden Lufthansa Jets hören… ;o) !!!


46...Th2+! 46.Kf3….. und jetzt mit Sekunden auf der Uhr……


verpasst Jürgen die taktische Finesse 46….Txf2!!

Und spielt stattdessen 47...T2h3+ mit dreimaliger Zugwiederholung in der Folge…

REMIS !!?!!

Schwein gehabt !

Hier die Auflösung was nach 46….Txf2!! passiert wäre:

47...Txf2+!! 48.Kxf2 Dxc2+ 49.Kf1 Dd1+ 50.Kg2 De2+ 51.Kg3 Dh2+


Und Weiß verliert entweder die Dame auf e6 oder den Turm auf g1

Wolfgang ist dem Teufel mal mit seinem Pokerface von der Schippe gesprungen
!!!

GM Michail Beckov im Analyseraum (der schlanke gutaussehende junge linke Mann am Brett)

(CM Wassili Edgar Winandov, IM Kaily Hubnarov und FM Markus Ilja Lahrowitsch)


Nachdem beide Finalpartien Remis ausgingen musste zur Entscheidung eine Schnellpartie
herhalten. Die Farben wurden ausgelost. Jürgen wählte und zog Schwarz.
Die Partie zum Nachspielen unkommentiert (dennoch hohes Niveau trotz Schnellschach!!) in
Gänze :

Ruppert – Neurohr

Flörsheimer Vereinsmeisterschaft 2015

Finale Stichkampf Schnellschachpartie (20 min.)


1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.De2 b5 6.Lb3 d6 7.c3 Le7 8.0-0 0-0 9.Td1 Lg4 10.d3 Sa5
11.Lc2 c5 12.Sbd2 Sc6 13.h3 Lc8 14.Sf1 Te8 15.Sg3 Dc7 16.Lg5 h6 17.Le3 Lf8 18.Sh4 g6
19.Lb3 Le6 20.Tac1 Lxb3 21.axb3 Tad8 22.Dd2 Kh7 23.f4 exf4 24.Lxf4 De7 25.Sf3 Se5 26.Tf1
Lg7 27.Tce1 Sfd7 28.d4 Sxf3+ 29.Txf3 cxd4 30.cxd4 d5 31.e5 De6 32.Tc3 Tc8 33.Tec1 Sb6
34.Dd3 Lf8 35.Sh5 Le7 36.Tf1 Kg8 37.Sg3 h5 38.Ld2 Sd7?!


39.Se2 Sf8?


40.Sf4 Dd7 41.Df3 Txc3 42.bxc3 Td8 43.Sxh5!!


La3?? 44.Sf6+! 1-0